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Kunst – Exkursion

„Stellt euch mal da vor dieses pinke Rechteck und betrachtet es ganz genau!“ – fordert der Kunstführer Herr Peter die Schülerinnen der Klasse 10c im Foyer des Kunsthauses Kaufbeuren auf. Alle 22 Schülerinnen begeben sich in die Nähe der großformatigen Leinwand. Doch was ist nun eigentlich zu sehen? Ein weißer Rahmen, darin eine monochrom-pinke Fläche. Keine Pinsel- oder Werkzeugspuren. Auf den zweiten Blick: ein zweiter, hellerer Pinkton, der eine Art Rahmen bildet. Zudem sticht das starke Leuchten der Farbe ins Auge.

Keine Formen oder Prozessspuren, die die Wahrnehmung der bloßen Wirkung der Farbe stören könnten. So will es der Künstler Rupprecht Geiger (1908 – 2009), der in dieser Werkphase bereits mit der Spritzpistole und nicht mehr mit dem Pinsel arbeitet. Geigers Farbfeldmalereien sind international bekannt – er löst sich bald vom Gegenstand und malt – oder druckt – Ovale, Kreise, bisweilen Vierecke. Die Form soll an nichts aus der realen Wirklichkeit erinnern, der Betrachter soll die Kraft der bloßen Farbe spüren. Ganz überrascht sind die Schülerinnen, als ihnen der Preis für einen leuchtend orangenen Kreis auf weißer Leinwand mit 200.000€ angegeben wird. „Das kann ich auch!“ – entfährt es einer Schülerin ungläubig. Farbe ohne Form – es ist nicht leicht, sich darauf einzulassen.

 

Der 1974 in Kanada geborene, zeitgenössische Maler Shannon Finley wird in seinen Werken ebenfalls von starker Begeisterung für leuchtende Farben geleitet, er setzt häufig große und kleine Dreiecke nebeneinander, so dass sie sich wie ein Netz kristalliner Strukturen über die Leinwand ziehen und zusammen neue Formen wie Rauten und Trapeze bilden. Durch die Formendichte, aber auch durch die vielen, teils durchschimmernden Farbschichten, scheinen Finleys Werke in ständiger Bewegung zu sein, sie wirken dynamisch, manche weisen einen regelrecht „flirrenden“ Charakter auf. Sein Malprozess ist aufwendig: er klebt die Formen einzeln ab und trägt mit einer Spachtel dünne Farbschichten auf. Dies muss er in bis zu 40 Schichten wiederholen, bis die gewünschte Farbintensität und Wirkung erreicht ist. Durch den langen Trocknungsvorgang dauert es bis zur Fertigstellung eines Bildes meist mehrere Monate.

Malereien, auf denen nichts „sichtbar“ ist, werfen viele Fragen auf – das bisherige Kunstverständnis wird auf den Kopf gestellt und muss neu überdacht werden. Dennoch hinterlassen die Arbeiten von Geiger und Finley einen starken Eindruck, sie nehmen unsere Wahrnehmung gefangen und widersetzen sich einer schnellen Lesbarkeit und „Konsumierbarkeit“. Damit stehen sie im starken Kontrast zu unserer bildüberladenen Alltagsrealität, in die wir nach einer Stunde Führung wieder entlassen werden. Danke an Herrn Peter und das Kunsthaus Kaufbeuren!

 

Agnes Haberbusch

Fachschaft Kunst