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Kunstadditum auf Exkursion

Wie lebt und arbeitet ein “echter” Künstler? Wie entstehen seine Werke? Kann man von der Kunst überhaupt leben? – Diese und ähnliche spannende Fragen konnten die Schülerinnen des Kunstadditums dem Metallbildhauer Christian Rudolph persönlich bei einem Besuch in Irsee stellen. Zunächst durften wir seine Werkstatt in Augenschein nehmen: Herr Rudolph fertigt konstruktive Plastiken aus Edelstahl und Aluminium. Er erklärt uns mit Begeisterung seine Werkserien und deren Herstellungsart.Eine frühe Werkgruppe besteht aus Wandobjekten: schwarzdunkel-glänzende Metallplatten überlagern und durchdringen rostig erscheinende Platten. Der starke Materialkontrast ist das Faszinierende an diesen reliefartigen Kompositionen. Dreidimensionale, glänzende Edelstahlplastiken, die zumeist auf einem Sockel präsentiert werden, bilden eine weitere Werkgruppe. Häufig sind hier verschlungene und zum Teil auch weit ausladende Formen zu sehen, die die handwerklich überaus präzise Verarbeitung der Werke zeigen, die der Künstler sich zum eigenen Anspruch gemacht hat. Die erforderlichen Metallplatten werden von einer Spezialfirma mit Hilfe der Lasertechnik ausgeschnitten und über spezielle Walzen in Form gebogen. In seiner Werkstatt verschweißt Christian Rudolph die Teile zu seinen einzigartigen Werken, welche den hohen Widerstand des Stahls und die zum Teil sehr lange Arbeitszeit – an manchen arbeitet der Künstler bis zu einem Vierteljahr- durch ihre Leichtigkeit und filigrane Anmutung verschleiern. Eine Schülerin möchte wissen, wovon Rudolphs Werke inspiriert sind und ob diese Titel tragen: er erzählt bereitwillig, dass seine Kunstwerke ungegenständliche Konstruktionen seien, die sich nicht explizit auf etwas aus unserer sichtbaren Welt bezögen. Deshalb tragen seine Arbeiten keine Titel sondern sind mit speziellen Kürzeln – je nach Form der Kanten – versehen und durchnummeriert. Eine dritte Werkgruppe besteht ebenfalls aus Wandobjekten – diesmal leicht konkave Aluminiumplatten, welche der Bildhauer mit Schichten von zwei oder drei verschiedenen Acrylfarben überzieht, aus denen er dann geduldig zufällig entstehende, fleckig wirkende Farbmuster herausschleift.

 

Nachdem wir nun schon einige seiner fertigen Arbeiten betrachten durften, bittet Herr Rudolph uns in das schöne Haus der Familie. Im ersten Stock zeigt er uns seine Papiermodelle. Diese sind fein gearbeitet und werden mit Tesafilm befestigt. Sie dienen dem Künstler als im Maßstab verkleinerte Vorlagen für seine späteren Werke. Oftmals zeichnet er die Modelle auch noch digital in einem hochkomplexen CAD-Programm nach, was viel Zeit in Anspruch nimmt, aber die Genauigkeit der Messungen für die Anfertigung der Einzelteile erhöht. Für die Formfindung sind jedoch die Papiermodelle nach wie vor unerlässlich.

 

Anschließend sitzen wir alle bei Saft und Baumkuchen an der großen Tafel im großen Wohn- und Essbereich und der Künstler erzählt uns seinen Werdegang: sein Akademiestudium in Nürnberg, wie er dann zunächst „als Handwerker“ Lampen und Stühle designte und dabei ein Netzwerk von Kontakten aufbaute, aus dem sich „spät aber doch“ erste Erfolge als freischaffender Bildhauer einstellten. Herr Rudolph beantwortet sehr offen viele Fragen der Schülerinnen über seine Arbeit, zeitweilige finanzielle Durststrecken, er berichtet, dass viele seiner Studienkollegen „mit der Kunst“ schon „aufgehört haben“ und jetzt etwas ganz anderes machen. Bei Christian Rudolph läuft es indessen seit ca. 15 Jahren gut, er kann von seiner Kunst leben. Heute fertigt er zwischen 12 und 15 Metallplastiken im Jahr an. Er zeigt uns Kataloge mit seinen Werken, für diese müssen seine Arbeiten professionell fotografiert werden, Texte geschrieben und gesetzt werden – dafür muss Rudolph viel Zeit und Geld investieren. Er beschreibt die Vermarktung seiner Plastiken durch Ausstellungen in Galerien und auf Messen, „der Künstler“ müsse stets dranbleiben, an diesem komplexen Geflecht aus Kontakten, Terminen, komplizierter Logistik, Finanzen und Versicherungen, das kostet viel Zeit. „Kreativ arbeite ich nur noch zu etwa 30 Prozent!“ – sagt Rudolph und macht damit deutlich, welche hohen Anforderungen der heutige Kunstmarkt stellt. Nach zwei Stunden ist unsere Neugier weitgehend befriedigt, wir haben sehr viel Neues erfahren und einen intensiven Einblick in das Leben eines Künstlers bekommen. Die Fülle von Eindrücken diskutieren wir noch auf der Busfahrt zurück nach Kaufbeuren. Ein einmaliges Erlebnis, an das wir noch lange denken werden – vielen Dank Herr Rudolph!

 

Agnes Haberbusch

Fachschaft Kunst